Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
zu Beginn meiner Rede bedanke ich mich wieder bei Herr Rudolf und seinem Team aus der Kämmerei. Der Haushalt war gut vorbereitet und so konnten unser Fragen im Rahmen der Vorbesprechung oder im Nachgang geklärt werden.
Ich habe wieder das Privileg als erster Gemeinderat unsere Gedanken zum aktuellen Haushalt mit euch teilen zu dürfen.
Es ist gefühlt ein seltsamer Haushalt. Warum? Es ist das Jahr EINS mit deutlich geringeren Gewerbesteuereinnahmen. Dennoch ist die Gemeinde Haar nicht in sich zusammengebrochen. Im Gegenteil, die Vorbesprechung war entspannt und in Teilen wirkte der erste Entwurf schon fast wie ein Wunschkonzert, bei dem (beinahe) jeder bekommen konnte, was er gern wollte.
Auch die Zahlen sind unverändert beeindruckend: Der Verwaltungshaushalt hat ein Volumen von über 80 Millionen, der Vermögenshaushalt über 30 Millionen. Eigentlich gewohnte Zahlen für die Gemeinde Haar.
Bei genauerer Betrachtung erkennt man aber schon die zentralen Unterschiede. Der Ansatz für die Gewerbesteuer beträgt nur noch 11 Millionen, statt der gewohnten Zuführung zu den Rücklagen steht dort eine Entnahme von über 30 Millionen. Dennoch keine Panik unter den Gemeinderäten, die Diskussionen über die strittigen Punkte wurde primär inhaltlich und nur in wenigen Ausnahmen finanziell geprägt.
Woran liegt das?
Zum einen natürlich an der hohen Gewerbesteuernachzahlung, die wir Ende dieses Jahrs noch einmal erhalten haben. Diese Millionen tun uns sehr gut. Zum anderen liegt es aber auch daran, dass wir alle wussten, was auf uns zukommt und somit vorbereitet waren auf den Moment. Nicht zufällig haben wir so hohe Rücklagen für die großen Projekte gebildet.
Die hohe Entnahme aus den Rücklagen sind auf 2 Aspekte zurückzuführen:
Diese Punkte werden auch 2024 noch den Haushalt belasten. Danach sinkt die Belastung durch die Kreisumlage signifikant. Welche Bauprojekte wir dann angehen liegt in unserer Hand und wird dann entschieden werden. Ideen wie der Busbahnhof, ein Umbau der Leibstraße oder aber auch die energetische Sanierung unserer eigenen Wohngebäude liegen dabei schon auf dem Tisch.
Alles wichtige Projekte, aber gerade dieser letzte Punkt liegt uns hier am Herzen. Es ist äußerst bedauerlich und trübt den Eindruck dieses Haushaltes, dass die bereits letztes Jahr angestrebten Sanierungen erneut verschoben wurden. Wir lassen hier unsere Mieter im Stich, die auch in Zukunft stark unter den gestiegenen Wohnnebenkosten leiden werden.
Was wir leider immer noch kritisieren müssen ist der Kommunikationsfluss des Bürgermeisters in Richtung Gemeinderat. Als Beispiel sei hier ein Cradle-to-Cradle-Wirtschaftskongress genannt, der mit immerhin 45.000 € geplant ist. Über den Sinn oder Unsinn eines Kongresses ohne konkret umgesetztes Projekt werden wir vor einer Durchführung noch einmal reden müssen. Denn mehr als den Beginn der Planungen für ein C2C-Dino haben wir bis heute nicht, von einer konkreten Umsetzung sind wir noch entfernt.
Auch beim Schulcampus fehlt jegliche Kommunikation. In der Seniorenbürgerversammlung hat der Bürgermeister von einem möglichen alternativen Standort berichtet und somit den Standort Gronsdorf in Frage gestellt. Eine Meinungsbildung darüber fehlt bislang im Gemeinderat völlig. Daher auch nicht verwunderlich, dass wir beantragt hatten, die Planungskosten für die Spange Haar Nord erstmal zu streichen, bis eine Diskussion in diesem Gremium dazu stattgefunden hat.
Manchmal wirkt es auf mich so, als ob im Rathaus mittlerweile die „Vermarktung“ von „Leuchttürmen“ und ähnlichen prestigeträchtigen Projekten einen höheren Stellenwert genießt, als die tägliche Detailarbeit, die aber in meinen Augen oft einen größeren Mehrwert für die Bürger:innen bietet.
Aber es gibt auch positive Aspekte des Haushaltes. Die Vereine erhalten wieder die beantragten Zuschüsse. Der Bürgermeister hat scheinbar seinen Fehler – und entgegen seiner Darstellung beim Ehrenamtlichentag geht die pauschale Kürzung auf sein Bestreben zurück – eingesehen. Wir hatten dieses Vorgehen immer kritisiert. Denn Kürzungen, die vielleicht symbolträchtig sind, aber keine echte Entlastung für den Haushalt bringen, erzeugen mehr Schaden in den Vereinen, als sie irgendwem nutzen.
Ebenso freuen wir uns, dass der Gemeinderat es abgelehnt hat, einen Zaun um die Konradschule zu ziehen, und so den offenen Charakter im Zentrum erhalten bleibt.
Gespannt sind wir auf die Prüfung des Umbaus des Kindergartens in Gronsdorf. Unbestritten ist Bedarf für weitere Krippenplätze vorhanden – aber ebenso unbestritten auch für Kindergartenplätze. Hier benötigen wir einen aussagekräftigen Überblick über den aktuellen Bedarf und die weiteren Planungen. Es wäre ein teurer Schildbürgerstreich jetzt einen Kindergarten für einen 6-stelligen Betrag in eine Krippe umzubauen, wenn wir zeitnah auch neue Räumlichkeiten für Kindergartenkinder benötigen. Wir müssen hier den richtigen Weg finden um die Bedarfe, aber auch die Kosten in Einklang zu bringen.
Wichtig ist für uns auch, dass sich die Gemeinde aktiv an dem Notfall-Fond für Bürger:innen in Not beteiligt. Aktuell ist zu befürchten, dass bei den Abrechnungen leider einige hierauf zurückgreifen müssen. Sollte der Fond trotz Unterstützung der Bürgerstiftung und aus der Bevölkerung nicht ausreichen, werden wir uns für ein verstärktes Engagement seitens der Gemeinde einsetzen.
Das bringt mich zum Stellenplan. Auch dieses Jahr kommen wieder mehrere neue Stellen hinzu, für jede wurde eine an sich schlüssige Begründung dargelegt. Insgesamt kommen hierdurch allerdings dauerhaft erhebliche Mehrkosten auf die Gemeinde zu, die das strukturellen Defizit im Haushalt verstärken. Leider fehlt uns auch weiterhin das vom Bürgermeister versprochene Organigramm. Mit diesem könnten wir vermutlich besser nachvollziehen, wo welche Aufgaben erledigt werden. Aktuell haben wir das Gefühl, dass im direkten Umfeld des Bürgermeisters schneller neue Stellen geschaffen und besetzt werden als in den sozialen Bereichen wie dem Sozialamt oder „Bildung, Familie und Inklusion“.
Wir müssen unsere Hausaufgaben machen. Dabei dürfen wir aber auch nicht in operativer Hektik jeden Strohhalm ergreifen, sondern müssen seriös nach Unternehmen suchen, die auch kurzfristig und möglichst zuverlässig die Einnahmesituation verbessern. Hierzu muss sich die im Rathaus befindliche Wirtschaftsförderung aber auf seine Kernaufgaben konzentrieren können. Dann kann und wird das auch funktionieren.
Wir allen wussten, dass sich die Haushaltslage verschlechtern wird. Es wird uns aber auch nichts nutzen, nun wie das Kaninchen vor der Schlange zu erstarren. Auch im vorrauseilenden Gehorsam viele Projekte wegen dem vermuteten Geldmangel abzulehnen, bringt uns nicht weiter. Auch der Haushalt für 2023 ist wieder konservativ gerechnet. Ich finde das auch grundsätzlich richtig. Wir werden wieder mit einem Nachtragshaushalt arbeiten und ich bin auch weiterhin zuversichtlich, dass wir am Ende des Jahres ein bisschen besser dastehen werden als prognostiziert.
Daher bitte ich alle Kolleginnen und Kollegen: Malen wir hier nicht den Teufel an die Wand und sorgen so für eine selbsterfüllende Prophezeiung. Lasst uns gerade nach außen hin selbstbewusst die Stärken der Gemeinde Haar vertreten und lasst uns intern konstruktiv die Dinge anpacken. Dann wird sich Haar auch in Zukunft weiterentwickeln.
Für die Fraktion der SPD
Thomas Fäth