Verleihung der Titel Altbürgermeister und Ehrenbürger an Helmut Dworzak

Bürgermeisterin Gabriele Müller und Altbürgermeister Helmut Dworzak

20. Dezember 2015

Die Haarer SPD gratuliert Helmut Dworzak ganz herzlich zur Verleihung der Titel Altbürgermeister und Ehrenbürger der Gemeinde Haar!

Aus unserer Sicht gibt es niemanden, der es mehr verdient hat als du, Helmut!

Ansprache von Bürgermeisterin Gabriele Müller zur Verleihung der Ehrenbürgerschaft an Helmut Dworzak und der Ernennung zum Altbürgermeister

Gabriele Müller

Sehr geehrter Herr Altbürgermeister, diesen Titel verleihen wir Dir heute Abend ebenfalls,
lieber Helmut,

zu Ehrenbürgern können Persönlichkeiten ernannt werden, die sich in außerordentlicher Weise um die Gemeinde Haar verdient gemacht haben. Es ist die höchste Auszeichnung, die der Gemeinderat zu vergeben hat und demnach ein eher seltener Grund zum Feiern.
Haar ist bekanntermaßen sehr sparsam mit jeglicher Art von Auszeichnung und der Gemeinderat tut sich immer wieder schwer damit, einzelne Personen herauszuheben und ihre Verdienste zu würdigen.

Nur fünf Bürger, darunter eine Frau, haben die Ehrenbürgerwürde bisher verliehen bekommen: Katharina Eberhard, Peter Leyerer, Hans Pinsel, Willy Träutlein und Hans Stießberger senior.

Du, lieber Helmut, bist jetzt der 6. in diesem Kreis.
Endlich, wie viele Bürger meinen – und wohlverdient!

In den 22 Jahren als Bürgermeister und 20 Jahren als Gemeinderat hast Du unseren Ort geprägt wie kaum jemand zuvor. Dazu lassen wir jetzt erst einmal Bilder sprechen.

Wie sich Haar in diesen Jahren verändert hat! Erinnern Sie sich, liebe Gäste, allein an den Bahnhofsvorplatz? Ich bin in Baldham aufgewachsen und als es im Münchner Osten noch kein Gymnasium gab, musste ich nach München fahren. Ich kann mich noch gut erinnern, dass ich für den Nachhauseweg immer die Zugverbindung herausgesucht habe, die bis Baldham durchgefahren ist. Allein die Vorstellung, ich hätte in Haar aussteigen und von dort den Bus nehmen müssen, hat mich gegraust. Dieses Bahnhofsgebäude, dieser Vorplatz, für mich als 12 Jährige war das echt gruselig. Davon ist keine Spur mehr zu sehen. Der Bahnhofsplatz mit Brunnen, Geschäften und einem Spielplatz ist ein Schmuckstück geworden. Jetzt ist nur noch der Bahnhof selbst gruselig. Vielleicht schaffe ich es ja, die Bahn zum Handeln zu bewegen. Wir geben nicht auf, das verspreche ich Dir und den Bürgern.

Stadtplanung und Ortsentwicklung waren und sind Dein großes Thema. Als es darum ging, die Entscheidung für ein neues Rathaus zu treffen, schlug Deine große Stunde. In unermüdlicher Überzeugungsarbeit hast Du mit Deinen engagierten Mitstreitern die Haarer dazu gebracht, den - wie wir heute alle wissen - einzig richtigen Weg zu gehen, das Rathaus in der Bahnhofstraße zu erhalten und keinen charakterlosen Neubau an die Bundesstraße zu setzen. Das war für Haar DIE grundlegende Entscheidung. Damit wurde der Weg frei für einen Gestaltungsprozess, der Jahrzehnte dauerte: Für Haar eine Ortsmitte zu schaffen - nach gut überlegten Grundsätzen.

Die Ortsmitte sollte nach Deiner Vision ein Treffpunkt sein für die Bürgerinnen und Bürger. Auch andere Orte wünschen sich eine Mitte. Oft setzt man dann ein Einkaufszentrum oder zumindest Geschäfte dort hin. Für Dich aber war nicht der Konsum das verbindende Element, sondern der Mensch. Du wolltest, dass die Bürgerinnen und Bürger sich treffen, deshalb haben wir in der Ortsmitte soziale Einrichtungen: die Nachbarschaftshilfe wie das Altersheim, der Seniorenclub und der Bürgersaal – und eine gute bayerische Wirtschaft mit Biergarten durfte natürlich auch nicht fehlen. Vor kurzem wurde die Entwicklung abgeschlossen mit dem Poststadl für die vhs, die Musikschule, die Bürgerstiftung und einige kleinere Vereine. Die Einrichtungen sollten ihre Türen offen haben für ein reges gemeinsames Leben, und das alles ohne Einkaufszentrum und Kommerz.

Denn für den Einzelhandel hattest Du andere Ideen. Du hast dafür gesorgt, dass Läden dort angesiedelt sind, wo die Menschen leben. Die Menschen sollten sich nicht ins Auto setzte und zum Supermarkt auf die grüne Wiese fahren müssen. Du hast damit die Grundsätze einer nachhaltigen und generationenfreundlichen Stadtentwicklung verfolgt: Verkehr möglichst raus aus den Zentren, dafür eine gute Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln und überall da, wo viele Menschen leben Einkaufsmöglichkeiten, Ärzte, Apotheken, Kindertagesstätten in fußläufiger Entfernung. Das entspricht nicht nur seniorengerechtem, sondern auch familienfreundlichem Wohnen. Im Jagdfeldzentrum ist das beispielhaft gelungen. Sie haben die alten Bilder vorhin gesehen. Das Zentrum war in die Jahre gekommen und seine Schwachstellen sind immer deutlicher zu Tage getreten. In langen Verhandlungen ist es Dir gelungen, mit dem Investor einen Weg zu finden, dem Zentrum wieder Attraktivität zu verleihen und es mit Leben zu füllen.
Von anderen Kommunen kann man in der Zeitung lesen, dass deren Einkaufszentren abgerissen werden müssen, weil sie halt doch nicht funktionieren.
Wir dagegen haben sogar ein Kino und mit dem Hochhaus lernte jeder Haarer Bürger den Begriff „städtebauliche Dominante“ kennen – und Gewerbesteuer bringt es auch noch.

Stadtplanung begreifst Du nicht als reinen Selbstzweck. Du hast stets noch ein zweites Ziel verfolgt: Bauten und Neuerungen sollten immer dazu beitragen, dass die Haarer sich in ihrem Ort wohlfühlen. Das Gefühl von Heimat, von einer eigenen Identität sollte sich entwickeln können. Das ist ein großes Ziel, so nah vor den Toren der Stadt München. Manch ein Vorort verschwindet neben der großen Nachbarin und hat keine eigene Prägung mehr.

Haar hat ein Gesicht, weil es gelungen ist, historische Bausubstanz zu erhalten und mit modernen Elementen zu ergänzen, wie es auch im neuen Jugendstilpark geplant ist. Als Beispiel für die Moderne nenne ich jetzt nur den Hochhausturm. Oft erzählen mir Bürger, sie sehen auf dem Heimweg schon von weitem den Turm und wissen dann, da bin ich daheim. Gelungen ist das auch in Eglfing, dessen Planungsgrundzüge Du von deinem Vorgänger Hans Wehrberger übernommen hast.

Die Planungsgrundsätze und Vorhaben packen wir in Haar in die kommunalen Leitlinien „HAAR 21“. Auch dies ist Dein Verdienst. Bürger und Investoren wissen so, wie wir uns unsere Ortsentwicklung vorstellen, was wir in naher Zukunft umsetzen wollen und wofür wir einen längeren Atem brauchen. Die Bewahrung von Grünzügen ist so ein Thema. Von Dir haben wir gelernt, dass eine nachhaltige Ortsentwicklung nicht an den Gemeindegrenzen endet, sondern sich in die Vorgaben der Regionalplanung einfügen muss, dass es keinen Sinn macht, wenn sich Nachbargemeinden mit identischen Angeboten gegenseitig das Wasser abgraben, wenn Verkehrssysteme nicht regional getaktet sind. Die Würdigung in Fachkreisen hast Du längst erhalten und damit die Außenwirkung und das Image unserer Gemeinde entscheidend positiv beeinflusst.

Auch unsere Gemeindewerke gehen auf Deine Initiative zurück. Auch sie ein Beitrag zur Haarer Identität. Die Grundidee war bestechend: Ein Energieunternehmen vor Ort, mit dem Ort und seinen Bürgern verbunden, übernimmt die Grundversorgung mit Gas, Wasser und Strom und die damit gemachten Gewinne verbleiben in der Gemeinde. Die Gemeindewerke Haar sind eine Erfolgsgeschichte und tragen genau in Deinem Sinne zur Identitätsstiftung bei.

In Deiner ganzen kommunalpolitischen Laufbahn, besonders in Deiner Bürgermeisterzeit hattest Du stets den Menschen im Fokus, den Haarer Bürger. Du hast die Wege geebnet für ein gesellschaftliches Leben, an dem man sich, auch ohne in den Geldbeutel schauen zu müssen, beteiligen kann. So beispielsweise auf der „Künstlermeile“, ein großes Volksfest an dem jeder Spaß haben und Anteil haben kann, beim Silvesterfeuerwerk, das längst eine feste Haarer Institution geworden ist. Die BUGA 2005 war so ein Ausnahmejahr mit zahllosen Events, an die die Menschen noch heute gerne denken. Aber auch der Erhalt des Freibads, der Hallenbäder, die Entscheidung, keine teuren Spaßbäder privater Investoren draus werden zu lassen, lieber weniger Luxus und dabei moderate Preise. Die Entscheidung an drei Jugendzentren festzuhalten, den Treffpunkt behinderter und nicht behinderter Kinder und Jugendlicher zu fördern, unseren TSV auf Breitensport auszurichten, nicht auf exklusive hochrangige Spezialsportarten.

Vielen Vorhaben hast Du Deine eigenen Vorstellungen und Gedanken zugrunde gelegt, warst aber offen für die Ideen anderer: die Bürgerstiftung zum Beispiel, die ohne Deine Initialzündung und Unterstützung nicht hätte wachsen können oder auch die Bürgervereinigung in Ottendichl. Die Einbindung der vielen, vielen Aktivbürger in Haar war eine Gabe, die uns letztendlich einen Großteil unserer Lebensqualität bringt und sichert.

Dein Grundsatz war es: wenn Menschen sich mit einer Idee zusammentun, von der die Gemeinschaft profitieren kann, dann muss man sie unterstützen. Mit Geld und vor allen mit der Möglichkeit, sich in einem öffentlichen Raum zu treffen. Damit hast Du ja auch mich in die Kommunalpolitik bekommen. Als ich vor vielen Jahren eine Eltern-Kind-Initiative gründen wollte. Ich hatte zwar anfangs harte Diskussionen mit Dir, aber dann hast Du unsere Idee vorbehaltlos unterstützt. Und ich war begeistert von Kommunalpolitik und ich bin es bis heute.

Außerdem, das muss man jetzt auch mal ganz offen ansprechen, hast Du Dein Amt auch für Deine eigenen Vorlieben benützt. Die Kunst.
Du hast es geschafft, den Haarern nahezubringen, dass Kunst nicht nur ins Museum gehört, sondern ihren Platz durchaus im öffentlichen Raum hat und dass die daraus entstehenden Diskussionen lebhaft sein können. Dass sie das auch sein sollen, denn sie bringen Unverwechselbarkeit und Identität. Kaum eine andere Gemeinde hat eine so große Anzahl an Kunstwerken, für alle frei zugänglich ausgestellt. Auch dafür werden wir weit über unsere Gemeindegrenzen hinaus bewundert. Auch wenn bis heute nicht jeder Haarer davon überzeugt ist.

Auch um den politischen Horizont Deiner Bürger hast Du Dich stets bemüht: bei jeder Gelegenheit, ob in der Neujahrsansprache, der Haushaltsrede oder beim Wirt hast Du auf die unseligen Auswirkungen des Neoliberalismus in der spätkapitalistischen Gesellschaft, na 'hingewiesen' ist fast ein bisschen untertrieben.

Lieber Helmut,
Deine Verdienste um die Stadtplanung, die Ortsentwicklung und um Kunst und Kultur könnte ich noch länger aufzählen.
Dann würde aber ein wichtiger Punkt unbeachtet bleiben: Das Warum? Warum hast Du Dich in tausende Vereinsfeiern gesetzt, warum hast Du tausende Gespräche mit Bürgern geführt, bist tausende Kilometer durch unseren Ort geradelt und hast tausende Fotos aufgenommen?
Du hast diese Frage einmal selbst beantwortet: 'Als Bürgermeister muss man die Menschen mögen.' und das haben die Bürger gespürt. Du hast sie gemocht und Du magst sie immer noch. Und sie mögen Dich – auch immer noch.

Heute noch reden sie mit Dir über die alltäglichen Sorgen, über Kochrezepte und über philosophische Themen. So wie du als Lehrer mit Herzblut für Deine Schüler da warst, so warst Du für die Haarer Bürger da. Dabei war Dein Anspruch nicht der eines Sozialarbeiters. Dein Anspruch war und ist immer klar politisch motiviert. Du sagst selbst, Du hättest Marx studiert und die Strategie wäre gewesen, in die Kommunalpolitik zu gehen. Dort würde den Menschen die Verlogenheit des kapitalistischen Systems als erstes auffallen und man könnte von dort aus die Gesellschaft revolutionieren. Eine Revolution ist es nicht ganz geworden.

Lieber Helmut, dass Du aus Haar kommst und immer hier bleiben wolltest, ist ein Glück. Danke für die Leidenschaft und die Kompetenz, mit der Du Dein Amt als Bürgermeister und Gemeinderat ausgeübt hast. Du hattest stets das große Ganze im Blick und hast dabei nie die Aufmerksamkeit für Details verloren. Du hast Werte geschaffen, die bleiben.
Danke, dass Du entscheidend daran mitgewirkt hast, Haar zu einem ganz besonderen Ort zu machen, der viele Menschen anzieht und von dem kaum einer mehr wegziehen will.

Dafür, lieber Helmut, spreche ich dir heute im Namen der Haarer Bürger meinen Dank aus und überreiche Dir die Ehrenbürgerschaft der Gemeinde Haar.

Dankesrede von Helmut Dworzak zur Verleihung der Ehrenbürgerschaft

Helmut Dworzak

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,
liebe Gabi,

herzlichen Dank für die anerkennenden Worte. Ich danke für diesen festlichen Abend und die beeindruckende Präsentation, Ich danke dem Gemeinderat für seinen mehrheitlichen Beschluss, aber vor allem Ihnen allen, dass sie dieser Einladung heute trotz Vorweihnachtszeit gefolgt sind .

Es bewegt mich doch sehr, noch einmal durch die letzten 40 Jahre geführt zu werden. Sie waren verbunden mit viel Freude, aber auch mit Ärger, Problemlösungen und vor allem mit Teamarbeit. Mit Menschen, die mich begleitet haben, und mit denen man sich über die Jahre sehr verbunden fühlt.

Ich habe im Vorfeld dieses Abends gefühlsmäßig abgerüstet, nachdem vor wenigen Wochen eine junge Frau mir gratulierte mit den herzlichen Worten: „Mei, Herr Bürgermeister, das freut mich, dass Sie jetzt Ehrenbürger werden. Gell, das werden doch nur so richtig alte Männer.“ Nun steckt in dieser Bemerkung auch eine Menge Wahrheit. Den Ehrungen sind eine Alterserscheinung. Es ist in vielen deutschen Städten und Gemeinden ein guter Brauch, mit der Ehrung des langjährigen Bürgermeisters auch einen gemeinsamen Zeitabschnitt zu würdigen und natürlich ist der Bürgermeister immer das Gesicht dessen, was gemeinsam erarbeitet wurde. Wenn die gemeindlichen Gärtner wunderbar die Blumenbeete anlegen, heißt es, „Herr Bürgermeister, schön haben‘s das wieder gemacht. Sie geben sich soviel Mühe. Wie ein Kurort ist unser Haar.“
Und wenn der gemeindliche Schneepflug dann im Winter die Einfahrt zuschüttet, ist der Bürgermeister der unfähige Chef eines rücksichtslosen Haufens, dem die wirklichen Probleme der Bürger auch so was von wurst sind...

Bürgermeister ist in jeder Hinsicht wirklich ein abwechslungsreicher Beruf. Und ich bin sehr dankbar dafür, dass ich ihn so lange ausüben durfte. Es gab wirklich keinen Tag, an dem ich nicht gerne ins Rathaus gegangen wäre. Und das lag nicht nur an den Mitarbeitern. Die Arbeit machte Freude.

Der Gemeinderat als Chef des Bürgermeisters ist nicht immer einfach. Manche Kollegen verstehen den Begriff Kollegialorgan nicht und kennen nur parteipolitische Opposition. Das ist dann mühsam und nützt keinem.

Ich bin sehr dankbar, dass ich die meisten Jahre mit Kollegen zusammenarbeiten durfte, denen es wirklich um die Sache ging. Ich freue mich sehr, dass auch langjährige Wegbegleiter aus der CSU mir heute die Ehre geben. Liebe Theresa Heil und lieber Hans Stießberger, wir haben gemeinsam viel auf den Weg gebracht. Ich möchte nur zwei Wegbegleiter beispielsweise nennen, die leider viel zu früh verstorben sind: Gerlinde Würfl und Rainer Schmidt: Er war ein staubtrockener Schwarzer. Sie eine hoch emotionale Linke. Aber bei aller Schärfe in der Diskussion war stets der persönliche Respekt spürbar und mit den Jahren auch die menschliche Sympathie. Dazu braucht es sicher Zeit und auch persönliche Aufrichtigkeit.

Bestens trugen dazu die legendären Projektausschusssitzungen in der Ära Hans Wehrberger bei, in der ja die meisten Ortskerngebäude geschaffen oder saniert worden sind. Wenn Sie mit den Kollegen auf sieben verschiedenen Kloschüsseln, die vor dem Sitzungssaal auf dem Gang aufgereiht standen, gemeinsam Probe gesessen sind, um zu entscheiden, welcher Architektenvorschlag den zukünftigen Seniorenhintern wohl am ehesten gerecht werden würde, merken Sie, dass die Parteigrenzen fließend werden. Um Missverständnisse vorzubeugen, wir behielten natürlich unsere Hosen an.

In all den Gebäuden, die über die Jahre entstanden sind, steckt sehr viel Gestaltungswille bis ins Detail, wobei meine bisweilen etwas mutigeren Gestaltungsvorschläge vom Büro Goergens und Miklautz meist glatt gebügelt worden sind. War wahrscheinlich besser so – vielen Dank.

Ich bin der festen Überzeugung, dass wir Kommunen in der Gestaltung unserer Gebäude und Plätze eine sehr wichtige Aufgabe haben. Wir müssen dieser kommerziell bestimmten Bauwelt mit ihrem Konformismus Widerstand leisten, wenn wir den Bürgern Identität mit ihrer Gemeinde und damit Heimat bieten wollen.
Wir hatten in Haar die Chance, Altes zu erhalten und Neues anspruchsvoll einzufügen .Gute Stadtplanung muss Orte der Begegnung schaffen. Menschen zueinander führen. Kennen Sie noch die alten Sprüche: "die Haarer gehen nicht weg. Da können‘s machen, was‘ wollen." Der Gasthof zur Post mit seinem Biergarten hier in der Ortsmitte, die „Alte Schule“ mit den Seniorenclub, der Sportpark mit seinen über 200.000 Nutzern oder auch das Kino im sanierten Jagdfeldzentrum zeugen heute von einem anderen Haar. Auf der „Künstlermeile“ kann man sich treffen.

Bei den öffentlichen Gebäuden spielt auch die Materialität eine große Rolle. Die Forderung, die öffentliche Hand müsste immer möglichst einfach und billig bauen ist falsch. Unsere Plätze und Gebäude sind Ausdruck einer selbstbewussten Bürgerschaft und darauf sollten wir stolz sein.

Wenn man an einen solchen Abend den Wandel in den letzten vier Jahrzehnten sieht, ist man selbst überrascht, wie schnell man die alten Bilder verdrängt. Die Trümmergrundstücke in München, die Flüchtlingsbaracken zwischen der Gronsdorfer Straße und der B 304.

"Du Flüchtling" war ein geläufiges Schimpfwort unter uns Kindern. Dass wir gar nicht begriffen, wovon wir sprachen ,wurde mir als Bürgermeister noch mal verdeutlicht, als ich eine neunzigjährige Jubilarin besuchte und sie mir erzählte, dass Sie unserer Familie so verbunden sei, weil meine Großmutter ihr sechs Eier und ein Pfund Mehl zu Ostern vor die Haustür gestellt habe. Nach über 60 Jahren Dankbarkeit für sechs Eier und ein Pfund Mehl…

In Haar wurden Wohnungen für Flüchtlinge gebaut. Unter Bürgermeister Hans Pinsel und auch unter Bürgermeister Willy Träutlein und dem Baureferenten Hans Stießberger. Da dann auch schon mehr für die vielen „Zuagroasten“ . Es waren auch Häuser über 19 m dabei.

Vielleicht war damals noch nicht der Reflex so ausgeprägt, gegen alles Neue zuerst einmal Protest einzulegen oder vielleicht war Einsicht gegeben, in das, was notwendig ist und das eigene Ich stand nicht so im Vordergrund.

Ich gehöre der glücklichen Generation an, die keinen Krieg erlebt hat und wir erlebten in unseren Familien eine stetige Steigerung der Lebensqualität. Ein lenkender Staat und starke Gewerkschaften und vielleicht auch die Erkenntnisse aus der Katastrophe des Nationalsozialismus sorgten dafür, dass das Soziale in der Marktwirtschaft sein Gewicht hatte. Dass ein einfacher Angestellter allein seine vierköpfige Familie ernähren und von diesem Familieneinkommen auch einmal im Jahr nach Jesolo fahren konnte, klingt heute wie eine Geschichte aus einer anderen Welt.

Ab Mitte der Sechzigerjahre bekommt diese heile Welt immer mehr Risse. Als um 1970 die Juso Gruppe Haar gegründet wurde, war klar dass wir dieses kapitalistische Gesellschaftssystem verändern wollten. Wegen seiner Krisenhaftigkeit, seiner Profitorientierung, der wirtschaftlichen Monopolisierung und Spaltung der Gesellschaft. Auch die Studie des „Club of Rome“ mit den Grenzen des Wachstums beeindruckte.

Wo werden die Menschen diese Widersprüche am deutlichsten spüren? Natürlich auf der kommunalpolitischen Ebene, die ist ja auch am nächsten dran am Alltag der Bürger. Hier müsste also die Chance mit Vernunft Aufklärung zu erreichen am größten sein. Wir machten also eine Zeitung. Das Verfahren wird man heute nicht mehr kennen: Alles wurde auf Matrizen getippt, die dann in einem Abzugsapparat eingespannt wurden, Druckerschwärze eingefüllt und dann sorgfältig gekurbelt. Anschließend zehntausend Blätter sortiert und per Hand geheftet. Einmal haute es mit der Sorgfalt nicht ganz so hin, so dass sich im gesamten Waschkeller der Familie Kriegisch die Druckerschwärze ausbreitete, was seitens der Hausfrau zu einer Verbannung der Revolution aus ihrem Keller führte.

Wir griffen zum Beispiel das Thema Müll auf. Damals waren Müllablagerungen an Waldrändern und Feldwegen durchaus üblich. Wir beantragten also einen gemeindlichen Müllcontainer, der den Haarern umsonst zur Verfügung gestellt werden sollte. Er stand jahrelang hinter der Unterführung zum heutigen Sportpark. In unserer Zeitung wiesen wir darauf hin, dass die Verpackungen meist gar nicht dem Schutz der Ware diente, sondern selbst auch Werbeträger sei und auch den Verbraucher bisweilen irre führen sollte. Hier müsse von staatlicher Seite dringend Einhalt geboten werden. Heute nach 40 Jahren kann ich feststellen:
- Die Waldränder sind sauberer, die Müllmenge höher.
- Aus den Müllcontainern wurden Wertstoffhöfe, von der Öffentlichkeit bezahlt
- Es entstand ein Wirtschaftsbereich Abfallwirtschaft mit stattlichen privaten Gewinnen
So war das eigentlich nicht gedacht. Blöd gelaufen. Aber nicht nur in diesem Fall.

Es ist ein typisches Beispiel für unsere spätkapitalistische Zeit. Hier wird nicht unterdrückt – nein, es wird gelockt und verführt und so alle Lebensbereiche kommerzialisiert, auch wenn die ursprüngliche Absicht eine ganz andere war und das Ergebnis schlichtweg unsinnig ist.
Denken sie an die armen Punker. Kaum protestierten sie gegen die Konsumwelt, schon waren ausgewaschene und zerrissene Jeans hochpreisig und heiß begehrt. Wir trauen uns, sie heute in der Kleiderkammer für Flüchtlinge gar nicht auszulegen.

Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung ist dabei aber nicht mehr lustig und erschreckt auch Fachleute, die nicht des linken Denkens verdächtigt sind. In den 70iger Jahren waren die Spitzengehälter das 40 fache des Durchschnittslohns. Heute das 140fache. Eine kleine Minderheit verfügt fast über das gesamte Vermögen. Wir haben mittlerweile wieder Vermögensverhältnisse wie vor dem Ersten Weltkrieg. Über 50 % der Bevölkerung haben kein Vermögen. Jedes fünfte Kind wächst unter finanziell beschränkten Verhältnissen auf. Über 400 Milliarden € wurden an den Finanzämtern vorbei von Deutschland ins Ausland transferiert.

Und die Spaltung der Gesellschaft beschleunigt sich. Die großen Vermögen erzielen zwischen 5 und 10 %, die Kleinen müssen sich über 0,5 % Zinsen freuen.
Das kann kein Fundament für eine friedvolle demokratische Gesellschaft sein. Viele Menschen hat die Politik bereits verloren. Sie glauben nicht mehr, dass der Staat Ihnen wirklich helfen kann und gehen deshalb schon gar nicht mehr zum Wählen.

Manchmal gelingt es noch, sich zu wehren. Zum Beispiel konnte der Privatisierung unserer Wasserversorgung Einhalt geboten werden. Wir haben in Haar zum Teil parteiübergreifend dem neoliberalen Zeitgeist auch nicht entsprochen:
Die private Energieversorgung in der Gemeinde wurde kommunalisiert und eigene Gemeindewerke gegründet.
Keine Wohnungen und Grundstücke wurden verkauft, sondern den gemeindlichen Bestand gemehrt. Wir haben an unseren Planungszielen festgehalten und haben uns nicht von Einzelhandel und Bauträgern die Standorte vorschreiben lassen.
Wir haben uns als Gemeinde hinter bürgerliches Engagement gestellt und wenn notwendig auch geholfen - mit Wissen und Geld.

Gerade wir Kommunen müssen nichtkommerzielle Räume schützen und schaffen. Räume in ganz realen Sinn, in denen sich Menschen treffen können und ihr Engagement entfalten. Aber auch im ideellen Sinn, in dem wir nicht-kommerzialisierten Denken Raum geben, zu hören und die Realisierung unterstützen.

Das möchte ich auch gerne jetzt tun, in diesen hier gebotenen nicht kommerziellen Rahmen. Wir sitzen hier mietfrei und das Essen ist auch frei. Darum beende ich jetzt meine Ansprache und möchte ganz gegen meine Gewohnheit mit einem Zitat schließen. Es kam mir in den Sinn, als ich in den alten Zeitungen und Reden blätterte und sehen musste, dass eigentlich in den letzten 40 Jahren sehr viele Themen die gleichen geblieben sind. Ich schließe mit einer Bemerkung von Helmut Schmidt der seine und die allgemeine politische Arbeit folgendermaßen charakterisierte:
„Kräht der Gockel auf dem Mist, ändert sich das Wetter oder es bleibt wie es ist.“

Herzlichen Dank

Ehrenbürger Helmut Dworzak

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