Ein paar Anmerkungen müssen in der Euphorie, Frau Schavan den Doktortitel zu zwicken erlaubt sein. Wir sollten uns davor schützen, alle über einen Kamm zu scheren und uns nicht von den Medien eine Wertung des Vorganges abnehmen lassen. Frau Schavan mag das eine oder andere Zitat zweifelhaft verwendet haben, aber dazu möge man auch die Umstände genauer betrachten.
Die Methodik, mit der vorgegangen wird, ist zweifelhaft. Was ist eine Universität wert, die eine anerkannte Wissenschaftlerin, die Ihren Ruf lange vor ihrer politischen Karriere gefestigt hat, wegen solcher Vorwürfe vorab verurteilt und fallen lässt wie eine heiße Kartoffel. Immerhin handelt es sich auch um ein Delikt, welches vor so langer Zeit verübt wurde, dass fast jeder Straftatbestand inzwischen verjährt wäre. Und was ist der Titel eines Professors wert, der jedes Indiz gegen Frau Schavan mit der Goldwaage wiegt und noch nicht einmal ansatzweise den Versuch einer Rechtfertigung im Sinne der Angeklagten unternimmt - das Interview mit Prof. Kempen vom Hochschulverband ist für mich beispielhaft: Aus welchen Gründen hier von Hochschulseite nur gegen Frau Schavan argumentiert wird, ist egal - mit Loyalität und Kollegialität hat dies nichts mehr zu tun.
Von einer Universität darf ich nach so langer Zeit erwarten, dass nicht nur sorgfältig geprüft wird, sondern das Verfahren auch sorgsam abgewickelt wird. Wenn Daten vorab an die Öffentlichkeit gelangen und einseitig diskutiert werden können, so gebe ich als Universität die Objektivität auf und verliere das Recht zu richten.
Geisteswissenschaftliche Arbeiten sind auch von einer anderen Qualität: Literaturrecherchen und Literaturarbeit gehören ebenso dazu wie das Bewerten und Vergleichen von Thesen. Dies macht sie angreifbar, zumal nach langer Zeit und vor dem Hintergrund fehlender technischer Mittel, die heute jedes Kind zur Verfügung hat.
Frau Schavan mag Fehler gemacht haben. Vor dem Hintergrund der oben genannten Fakten allerdings darf sich keiner mehr anmaßen, dies ernsthaft bestrafen zu wollen - im Zweifel für den Angeklagten ist ein hehrer Grundsatz, der auch hier gelten muss.
Dr. Alexander Zill
Gemeinderat