Die Tinte unter dem Koalitionsvertrag ist noch nicht getrocknet und schon wettert König Horst wie in alten Tagen: Der Ausländer an sich, der Schmarotzer und Ausbeuter sozialer Sicherungssysteme, der wandelnde Schaden unserer Volkswirtschaft hat es ihm wieder angetan. Gleichzeitig wird auch auf die SPD gekeilt und darum scheint es an der Zeit zu sein, Fakten zu präsentieren und sich von der rechten Demagogie und populistischen Meinungsmache zu lösen.
Unbestritten ist, dass unser soziales Sicherungssystem ein hohes Gut ist. Das dicht geknüpfte Netz, welches die Bundesrepublik natürlich in erster Linie für die eigenen Bürger geknüpft hat, kann nur dann funktionieren, wenn Missbrauch unterbunden wird. Es gibt daher zu Recht schon jetzt hohe Hürden, die vor dem Leistungsbezug übersprungen werden müssen.
Unbestritten ist auch, dass Mitbürger aus dem Ausland, die dauerhaft ihrem Broterwerb in der Bundesrepublik nachgehen, sich häuslich bei uns niedergelassen haben und somit auch bei uns gemeldet sind, zu Recht einen Anspruch darauf haben können, Leistungen zu beziehen. Mir ist dabei ganz gleich, ob sie unser Schul- und Bildungssystem nutzen, hier eine Krankenversicherung abschließen, in unser Rentensystem einzahlen oder nach dem Ende der Erwerbstätigkeit Rente beziehen oder Kindergeld für ihre Kinder bekommen.
Die seit dem 1.1.2014 gültigen Regeln der Freizügigkeit für Bulgaren und Rumänen ändern an dieser Rechtslage nichts. Vielmehr bedeutet die Freizügigkeit innerhalb der EU nur, dass nun auch Bulgaren und Rumänen in Deutschland einer geregelten Arbeit nachgehen dürfen und sich zu diesem Zwecke auch bei uns niederlassen dürfen. Der Bezug von Sozialleistungen ist in fast allen anderen Fällen nach wie vor ausgeschlossen und nach wie vor besteht ganz selten Anspruch auf Sozialleistungen für den, der ohne feste Arbeit und ohne festen Wohnsitz aus dem Ausland zu uns einreist. Das bislang geltende Recht bietet jetzt schon guten Schutz vor Sozialmissbrauch und bedarf allenfalls geringer Korrekturen, die eine derartige Debatte in der Öffentlichkeit keinesfalls rechtfertigen. Es mag sein, dass die Umsetzung geltenden Rechts derzeit manchmal unzureichend praktiziert werden kann, aber dies ist nicht Thema dieser Diskussion.
Die populistisch geführte, in meinen Augen tendenziöse und bösartige Debatte um die mögliche Zuwanderung von außen alleine, um Sozialleistungen zu beziehen entbehrt also nach wie vor jeder Grundlage und zeigt vor allem eines: Horst Seehofer mag vielleicht Ahnung davon haben, wie man Stimmungen provoziert, den Koalitionsvertrag allerdings hat er nicht verstanden, so er ihn überhaupt gelesen hat. Vielmehr möchte man wohl nur am rechten Rand der Wählerschaft im Trüben fischen. Wie der Mindestlohn ist die Öffnung nach Europa ein Kernpunkt sozialdemokratischer Politik. Eine Partei, die einen frisch abgeschlossenen Koalitionsvertrag binnen Wochen derart torpediert, ist wahrlich kein verlässlicher Partner und es wäre an der Zeit, solchen Krawallbrüdern die Grenzen aufzuzeigen.